Friendly Overtake2 :: kollektive – exhibition :: galerie rotor, Graz :: 2002
als PDF: Stickerbook und die Stickers


foto: max wegscheidler
[reviews]
Gemeinsam statt einsam
Zuweilen ähneln sich die unterschiedlichsten Lebensrealitäten. Das gemeinsame Arbeiten etwa ist querbeet der letzte Schrei. In neoliberalen Sinnzusammenhängen spricht man dann gerne vom Team. Geplant als Anreiz zu mehr Eigenverantwortlichkeit wird mit dem Begriff heute oft Verantwortungslosigkeit und Mangel an Führungsqualität kaschiert. Im Feld der Kunstproduktion ist hingegen oft vom Kollektiv die Rede. Dieses kann als sympathisches Instrument des Zurücknehmens verstanden werden. Im Kampf gegen die immer weiter voranschreitende Personalisierung, die von der Mediengesellschaft verlangt wird, geht der Künstler als Persönlichkeit in einer Gruppe auf. Doch auch hier ist das Missverständnis nicht weit. Die 5 Kollektive, deren Arbeiten zur Zeit im <rotor> zu beschauen sind, treten nämlich – so stehts in der Einladung – zugunsten eines Labels zurück, was eher aufs Gegenteil hinausläuft: die noch bessere Vermarktbarkeit durch das Etablieren einer Marke. Was nun wirklich gemeint ist, wird hoffentlich in der Ausstellung klar. Die präsentierten Kollektive (Boutique Meteor, crew 8020, nuoc mam dirndln, Scurvy, tonto) sind jedenfalls allesamt in Graz beheimatet und arbeiten in Zusammenschlüssen unterschiedlicher Größe an verschiedenen Hervorbringungen wie Comics, Videos, Musik, Netzprojekten oder Interventionen. Die Ausstellung konzentriert sich auf die Darstellung der Gruppen, die sich jeweils spezifischer Arbeits- und Veröffentlichungsmethoden bedienen. Diese Methoden machen gemeinsam mit den inhaltlichen Schwerpunkten die Charakteristik des jeweiligen Kollektivs aus.
Korso | Kultur | S. 14

Fünf junge Grazer Künstler-Kollektive in der Galerie <rotor>
Ein kurzer Moment als Rockstar
In einer spielerischen und locker inszenierten Schau gibt der Grazer <rotor> einen Einblick in das kreative Potenzial heimischer Künstlergruppen: Die Ausstellung "Kollektive" stellt fünf Grazer Labes vor, die ihr Handlungsspektrum irgendwo im Bereich zwischen bildender Kunst und Musik anngesiedelt haben.
Die Akteure der Gruppen Boutique Meteor, crew 8020, nuoc mam dirndln, Scurvy und tonto arbeiten in Zusammenschlüssen von bis zu zwei Dutzend Künstlern an Comics, Videos, Musik, Netzprojekten und Interventionen. Dabei treten die einzelnen Personen bei ihrer Kooperation zugunsten der gemeinsamen "Band" immer in den Hintergrund.
Bei der dichten und installativ konzipierten Präsentation gelingt eine Selbst-Darstellung der einzelnen Labels, die das Phänomen des Starkults durchwegs sehr ironisch thematisiert. Scurvy etwa zeigt selbst produzierte Kurzfilme und verewigt via Polaroid den Ausstellungsbesucher, der mit der coolen Konzert-Brille von Garfield – sitzend auf einem Motorrad – für einen kurzen Moment zum Rock-Star avanciert. Frei nach dem Motto "Wenn du bessere Medien willst, dann mach´ sie...", laden tonto-Aktivisten wie Edda Strobl, Helmut Kaplan, Michael Pinter und Winfried Ritsch Gäste dazu ein, gemeinsam mit ihnen Musik und Comics zu produzieren. "Infit" beziehungsweise "geistige Mode" machen Roman Klug und Stefan Ehgartner alias Boutique Meteor.
Vorwiegend mit Perfomances im öffentlichen Raum erregen die nouc mam dirndln Aufmerksamkeit und transportieren auf aktionistische Weise politische Inhalte. Die unterschiedliche Bewertung von Arbeit und Kunst überwinden möchte schließlich das jüngste, präsentierte Kollektiv – die crew 8020.

Krone | Kultur | S. 26 | von Barbara Ertl

Kollektiver Handlungsgestus
Sie sind sicher nicht die einzigen in Graz, wurden allesamt nicht erst gestern gegeründet und haben eines gemeinsam: das Gemeinsame. Fünf grazer künstlerische Kollektive präsentieren sich derzeit in einer Ausstellung in der Galerie <rotor> und dokumentieren mit ihren Arbeiten die Suche nach eigenen Wegen abseits bekannter hierarchischer Kunsttrampelpfade. Was nicht bedeutet, dass da unbedingt die Pinsel geteilt oder gemeinsam durch die Linse des Fotoapparates geschaut werden muss. Vielmehr geht es um künstlerische Prozesse, die im Kollektiv entstehen, aber individuelle Züge tragen. Und so handelt es sich diesfalls um fünf äußerst unterschiedliche Formationen mit jeweils Dutzenden äußerst unterschiedlichen Ergebnissen. So zeigt sich die bereits 1992 ursprünglich als Psychobilly-Band gegründete Gruppe Sxurvy durch die Reaktion auf zeitgemäé musikalische Strömungen und die Einbeziehung von Populärkultur-Allroundern wie "Evel Knievel" Sebastian Sailer als nach wie vor sehr lebendig – un d die "Maschin" fehlt passend zum Image natürlich nicht in der Ausstellungsinstallation. Weniger burschikos geht´s da bei den nuoc mam dirndln her, deren Beitrag ein eher dokumentarischer über Aktionen der dirndln ist. Denn die haben sich seit 1996 die "Vermultikulturisierung der Welt im allgemeinen, Österreich im besonderen und Graz am speziellsten auf die Fahen geschrieben" und sich dabei schon auf die unterschiedlichsten Unternehmungen bis zur Reise nach Vietnam eingelassen. "Boutique Meteor" verbindet in ihrer Musik brutalen Metal mit eletronischen Sounds "im Spannungsfeld zwischen Kaufen und Sterben", das zum Verkauf angebotene Stickeralbum "Friendly Overtake" wird dementsprechend zum konsumierbaren Manifesto. "Crew 8020" wiederum hat es sich zur Aufgabe gemacht, die unterschiedliche Bewertung von Arbeit und Kusnt zu überwinden, indem sie sowohl selbst als Künstler und als Veranstalter tätig sind als auch Dienstleistungen im Kulturbetrieb anbieten. Und auch im mitgliederreichen Kollektiv "tonto" verfolgt man konsequent mit Arbeiten in den Bereichen Musik und Comic individuell umgesetzte gemeinsame Inhalte.
Megaphone | S. 21 | ju

Ein Biotop für die populären Kulturen

Das p.p.c., "project pop culture", soll dem enormen Potenzial der Grazer Popkultur-Szene schon bald optimale Entfaltungsmöglichkeiten bieten… …Dass Graz trotz unübersehbarer Abwanderungstendenzen tatsächlich über eine vielfältige Popkulturlandschaft verfügt, zeigt exemplarisch die Ausstellung "Kollektive". Boutique Meteor, crew 8020, nuoc mam dirndln, Scurvy und tonto sind größere und kleinere Gruppierungen, die interdisziplinäres Agieren gemeinsam haben. Musik, Mode bildende Kunst zwischen sozialer Skulptur und Comic sind die Koordinaten der Netzwerke, die hier geknüpft werden. Die übergreifende Idee ist die des Identität stiftenden "Labels", das individuelle Äußerungen aber keineswegs verhindern will. Tonto hat sich seit Mitte der 90er-Jahre als Spezialist für elektronische Musik etabliert, ist aber auch als Comic-Verlag aktiv. Scurvy schlägt den Bogen von der Musik (als "Psychobilly-Band" zur mythenträchtigen Pop-art, mit Kunstaktionen, in denen etwa Stuntlegende "Evel Knievel" die Reverenz erwiesen wird oder der Schönheit von Motorrädern. Boutique Meteor macht Musik und versteht sich als Designer von Ideen wider den Konsumismus. Die nuoc mam dirndln schaffen Bilder und Töne im Sinne multikultureller Grenzüberschreitungen. crew 8020 versteht sich als Produzent und Veranstalter von Kultur als Teil alltäglichen Lebens. Beispiele aus dem bisherigen Programm der crew 8020-Reihe "Quodlibet": "La dolce vita = Fellini + Lasagne", beschränkt für acht Personen in einer Grazer Privatwohnung. Oder der ebenfalls im Eigenheim durchgeführte "Hey-Jude-Songcontest um den Hey-Jude-Preis". Derartige Popkultur braucht natürlich kein p.p.c.
Kleine Zeitung, 23. März <rotor>

Balabuja